Schweizer Wasserkraft: neues Potenzial, mehr Herausforderungen

Das Bild zeigt den Grimselsee.

Die Wasserkraft muss künftig noch mehr Strom bereitstellen. Es braucht neue ökonomische Ansätze und gleichzeitig mehr Ökologie – so das NFP "Energie".

​Die Wasserkraft muss künftig noch mehr Strom bereitstellen. Das ist möglich, denn als Folge schmelzender Gletscher könnten neue Stauseen entstehen, und auch die Erhöhung von Staumauern birgt Potenzial. Allerdings leidet die Branche. Es braucht neue ökonomische Ansätze und gleichzeitig mehr Ökologie– so die Folgerung des Nationalen Forschungsprogramms "Energie".

Die Wasserkraft befindet sich in einem Konflikt: Einerseits soll sie wirtschaftlich sein und zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 einen grossen Beitrag leisten. Andererseits muss sie den Anliegen des Natur- und Landschaftsschutzes Rechnung tragen. "Die Schweizer Wasserkraft muss und kann auch im Spannungsfeld politischer, ökonomischer und ökologischer Interessen eine tragende Säule des Energiesystems bleiben", fasst Tony Kaiser die zentrale Aussage der jetzt veröffentlichten Synthese "Wasserkraft und Markt" zusammen. Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms "Energie" haben mehrere Projekte die für die Wasserkraft relevanten technischen, sozio-ökonomischen, ökologischen und auch klimabedingten Entwicklungen untersucht. Die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen wurden nun in der Synthese "Wasserkraft und Markt" veröffentlicht.

Potenzial für neue Stauseen im periglazialen Umfeld prüfen!

Stauseen unterhalb sich zurückziehender Gletscher könnten die Stromproduktion in der Schweiz gemäss Schätzungen um ungefähr 3 Prozent erhöhen. Etwa die Hälfte davon könnte zur saisonalen Speicherung und damit zur Stromproduktion im Winter beitragen. Dies geht aus einer Untersuchung der ETH Zürich hervor, die aus den grundsätzlich infrage kommenden Standorten jene 7 identifiziert hat, die sich am besten für neue Stauseen eignen. Deren theoretische Speicherkapazität beträgt 1,3 TWh; das entspricht 14 Prozent der Speicherkapazität der heutigen Stauseen. Kompromisse mit dem Natur- und Landschaftsschutz müssen geprüft werden.

Mit neuen Massnahmen die Biodiversität wiederherstellen und erhalten!

Das Gewässerschutzgesetz von 1992 lässt den Kantonen einen gewissen Ermessensspielraum bei der Bewertung wirtschaftlicher Interessen und der Anwendung von Ausnahmeregelungen. Eine nur moderate Umsetzung der Vorschriften zu den Restwassermengen in Flüssen unterhalb von Stauanlagen ist gemäss den Forschungsresultaten aber zu wenig geeignet, die Biodiversität in geregelten Gewässern wiederherzustellen und zu erhalten. Das konsequente Einhalten einer natürlichen Abflussdynamik und gelegentliche, natürliche oder künstlich ausgelöste Hochwasser sowie ein geeignetes Geschiebemanagement sind Voraussetzung für den Erhalt der Biodiversität. Das Gewässerschutzgesetz ermöglicht den Kantonen und dem Bundesrat grundsätzlich, umweltfreundliche Lösungen durchzusetzen – etwa mit Ausgleichsflächen.

Wasserzinsen nach Erträgen ausrichten!

Flexible und ertragsabhängige Wasserzinsen werden heute als marktgerechter eingestuft als fixe Maximalwerte, die nur von der Bruttoleistung – also nicht vom tatsächlich produzierten Strom – abhängen. Es sollen deshalb flexible, ertragsabhängige Wasserzinsen eingeführt werden, die gemäss den Prinzipien der Gewinn- und Verlustverteilung ("Revenue Sharing") zwischen den Ressourcen-Eigentümern – also den Gemeinden – und den Kraftwerksbetreibern gestaltet sind. Dazu ist eine völlige Transparenz der Ertragszahlen nötig. Regionalpolitische und regionalwirtschaftliche Aspekte sollen ebenfalls berücksichtigt werden.

Bei neuen Wasserkraftprojekten einen Stakeholder-Dialog mit integrierter Nachhaltigkeitsprüfung führen!

Projekte im Zusammenhang mit dem Bau oder der Erneuerung von Kraftwerken, aber auch Vorhaben wie die Neuregelung des Wasserzinses oder die Vergabe von Konzessionen sollen mit allen Anspruchsgruppen in einem gemeinsamen Planungsprozess vorbereitet werden, die Interessen werden gegenseitig abgewogen. Die einzelnen Kriterien werden von Experten bewertet, die "trade-offs" erarbeiten hingegen die Anspruchsgruppen.